Zeitenwende für Europa
erschienen auf: libratus.online
Ausgerechnet die USA stören die Harmonie der West-Allianz und machen deutlich, dass sich ab nun die Geopolitik völlig verändert. Statt in sich zu gehen, reagieren Europas Staatenlenker mit Trotz und Realitätsverlust. Das wird die Bürger sehr teuer zu stehen kommen.
Die Münchner Sicherheitskonferenz vom 12 bis 14. Februar verlief völlig anders als bisherige Konferenzen und anders, als es die Dramaturgie vorgesehen hatte. Vergangenes Jahr lief in München alles noch perfekt, ja in dramatischer Weise fast zu perfekt. Die Nato unter Führung von US-Präsident Joe Biden stand geschlossen zur Ukraine und war sich einig, dass Russland keinesfalls gewinnen dürfe. Dramaturgisch perfekt war die Einladung der Ehefrau des russischen Dissidenten und Helden des Westens, Alexei Nawalny, als Gastrednerin zur Sicherheitskonferenz. Und just unmittelbar vor ihrem großen Auftritt kam ihr Ehemann in einem russischen Gefängnis auf bisher ungeklärte Weise zu Tode. Dieser tragische Vorfall diente dann der Anklage Russlands vor der Weltöffentlichkeit und als Bestätigung, dass Wladimir Putin vor nichts zurückschrecke. Das motivierte die Anwesenden zusätzlich für die weitere (kosten)intensive Unterstützung der Ukraine.
Doch diesmal war von Einigkeit nichts zu bemerken. Dafür sorgte der mit Spannung erwartete Auftritt des neuen US-Vizepräsidenten J.D. Vance. Er las nämlich nicht Russland, sondern den Europäern und somit den Nato-Verbündeten die Leviten. Der Kern seiner Aussagen, die im Folgenden wörtlich wiedergeben wird: Europa würde nicht von außen, von Russland oder China, bedroht, sondern von innen. Vance nannte als größte Bedrohungen den Mangel an Demokratie und Meinungsfreiheit, besonders in Deutschland, sowie die Massenmigration.
Ein grausiger Zufall wollte es, dass kurz vor dem Beginn der Sicherheitskonferenz München zum Schauplatz eines weiteren islamistischen Attentats wurde. Der Vizepräsident erwähnte zwar nicht die AfD, aber er sprach davon, dass es in einer Demokratie keine Brandmauern geben dürfe und man den Wähler nicht ignorieren oder fürchten dürfe.
In seinen Gesprächen, meinte Vance, hätten die Europäer betont, sie müssten im Hinblick auf Russland und den Ukrainekrieg ihre Werte verteidigen. Doch welche Werte seien dies überhaupt? Ihre Werte würden immer weniger mit jenen der USA übereinstimmen. Das Fazit des zweitmächtigsten Mannes der westlichen Welt: Lohnt es für die USA überhaupt, Europa zu verteidigen?
Dies könnte man als eine indirekte Aufkündigung der Nato-Beistandsverpflichtung betrachten, jedenfalls als jene des transatlantischen Gleichschritts. Seit diesem Moment besteht ein tiefer Riss in einer Allianz, die seit dem Beginn des Kalten Krieges eng zusammengerückt war. Geopolitisch spielt Europa nun kaum eine Rolle mehr und ist isoliert zwischen den USA und den immer mehr erstarkenden BRICS-Staaten.
Man hat sich selbst aus dem Spiel genommen, mit einem zunehmenden Realitätsverlust und einer völligen Selbstüberschätzung. Man teilte in alle Richtungen aus, verstieg sich gar dazu, Russland den „Krieg“ zu erklären. Nun nimmt man Europa nicht mehr ernst, seine Stimme ist irrelevant. Wichtige Verhandlungen und Entscheidungen, wie etwa über die Zukunft der Ukraine, finden ohne die Europäer statt. Zahlen sollen sie trotzdem, und das nicht zu knapp.
Die Zeitenwende ist eingetreten, allerdings anders als von den EU-Eliten gedacht: Nicht als endgültige Niederlage Russlands, sondern als Verlust des wichtigsten Verbündeten, den USA. Der Akt mutete an wie eine Kindesweglegung – so dürfte es von den anwesenden Politikern auch empfunden worden sein, wenn man ihre offenkundige Irritation und Fassungslosigkeit angesichts der Rede von Vance in München beobachtete. Die Distanzierung der neuen Administration ist auch eine Folge dessen, dass Europas Politiker und Medien den neugewählten Präsidenten Donald Trump in den letzten Jahren geschmäht, angefeindet und als Irren hingestellt hatten. Dies hat Trump offenkundig persönlich und nachhaltig übelgenommen. Nun kommt die Retourkutsche. Die EU, vor allem Deutschland, hat nun keine Freunde mehr in der Welt.
Die in München versammelten Verantwortungsträger in Europa sehen das anders. Der Organisator der Sicherheitskonferenz und ehemalige Berater von Kanzlerin Angela Merkel, Christoph Heusgen, meinte, die diesjährige Sicherheitskonferenz sei „in gewissem Sinne ein europäischer Albtraum" gewesen. „Aber gleichzeitig war das auch eine sehr klärende Konferenz.“ Sie habe gezeigt, dass „dieses Amerika unter Trump auf einem anderen Stern lebt“.
Auch der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius konterte Vance empört. So etwa verwahrte er sich gegen den Vorwurf, dass es keine Meinungsfreiheit gebe.
Doch die Tatsachen sprechen dagegen, wie etwa die Praxis des „De-Banking“, also des Entzugs des Bankkontos für kritische Medien, Experten und Journalisten; der Ausschluss von AfD-Funktionären aus bestimmten Berufsgruppen, sowie der „Digital Service Act“ der EU-Kommission als Mittel der Zensur mit einer beliebigen Definition von „Desinformation“. In Deutschland soll überdies Meinungsäußerung „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ bestraft werden – das ist eines jener Orwell’schen „Gedankenverbrechen“ von dem Vance sprach.
Man könnte es angesichts der Weltlage auch andersherum wie Heusgen betrachten: Es sind die meisten europäischen Staatenlenker, die auf einem anderen Stern leben. Sie sind mittlerweile mit ihrer Agenda, die vor allem von der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorangetrieben wird, allein. Auch immer mehr Staaten in der EU machen dabei nicht mit, etwa Ungarn, die Slowakei und Italien – obwohl man versucht, sie unter Druck zu setzen.
Es wäre nun seitens der Meinungsführer in der EU angebracht, statt in kindlichen Trotz zu verfallen, einmal gründlich in sich zu gehen, wie auch einzelne deutsche Politiker anmahnen.
Hat J.D. Vance nicht vielleicht recht mit manchen seiner – zugegeben sehr harten – Vorwürfe an die europäischen Eliten? Vertreten sie wirklich noch die Werte, auf denen die Gründer der EU aufgebaut hatten? Freiheit? Christlich-jüdisches Erbe und Kultur? Wohlstand und Leistungsbereitschaft?
Vertreten sie noch die Mehrheit der Bürger? Vertreten sie die Interessen der Mitgliedsstaaten? Wäre es nicht hoch an der Zeit, zur Verantwortungsethik und zur Realität zurückzukehren? Angesichts der katastrophalen Situation der EU wäre dies wohl das Gebot der Stunde.
Stattdessen versammelte Emmanuel Macron in Paris die letzten Getreuen zur Krisensitzung. Es ist die Rede davon, sagenhafte 500 bis 700 Milliarden Euro (!) für Aufrüstung und für Waffen für die Ukraine auszugeben.
Offiziell bestätigen will man das erst nach der deutschen Bundestagswahl am 23. Februar. Die EU-Kommissionspräsidentin hatte bereits vor ihrer Wiederwahl von mindestens 500 Milliarden Euro allein für die Aufrüstung der EU gesprochen. Der Grund: Russland wolle nach der Ukraine auch Europa angreifen, man sei also akut bedroht. Auch dann, wenn der Ukraine-Krieg beendet sei. Belege für diese stetig wiederholte Behauptung gibt es jedoch keine. Und sie ist auch logisch nicht nachvollziehbar.
Die Ukraine soll weiterkämpfen und unterstützt werden. Ungeachtet der Gespräche zwischen den USA und Russland über einen Frieden. Anstatt sich zu freuen, dass der Krieg in Europa hoffentlich bald beendet sein wird, will man ihn unbedingt fortführen. Man beharrt weiter auf seinem Irrweg, der sich immer weiter von der Realität – ob sie einem gefällt oder nicht – entfernt. Die EU-Kommissionspräsidentin will den EU-Beitritt der Ukraine beschleunigen, weil Präsident Trump eine Nato-Mitgliedschaft des Landes nun ausgeschlossen hat. Obwohl die Ukraine die wichtigsten Kriterien, wie etwa Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, nicht erfüllt: Es haben seit Jahren keine Wahlen mehr stattgefunden, die Amtszeit des Präsidenten und der Regierung ist längst abgelaufen, Opposition und kritische Journalisten werden verfolgt – was man stets auch Russland vorgeworfen hat. Die ukrainischen Medien haben in der Bevölkerung massiv an Glaubwürdigkeit verloren.
Die Verhandlungen sollen beschleunigt werden trotz aller Warnungen, dass ein Beitritt der Ukraine aufgrund der Korruption unmöglich, finanziell nicht verkraftbar wäre und das Ende der EU bedeuten würde.
Die politische Führung Europas mutet, von außen betrachtet, inzwischen wie eine irre gewordene, realitätsfremde und abgehobene Kaste an, die längst nicht mehr die Interessen der Bürger vertritt. Das ist auch nicht ihr Ziel, sie hat andere, selbstgesteckte Ziele. Es ist eine Kaste, deren wichtigste Ziele (laut EU-Kommission) der Kampf gegen „Desinformation“ und CO2, sowie für „Diversität“, Gender und ein Recht auf Abtreibung und Sterbehilfe sind. Ein Leitbild für die Welt ist dies wohl kaum, sondern wirkt eher abschreckend. Es hat den Anschein, Europa habe sich einem Todestrieb hingegeben.